Big-Team-Science effektiv in der Wirtschaftsforschung umsetzen
Wie kollaborative Ansätze Transparenz, Reproduzierbarkeit und wissenschaftliche Qualität verbessern können

Die Zeiten, in denen Forscher:innen im Alleingang in ihren Laboren oder im stillen Büro an komplexen wissenschaftlichen Fragestellungen arbeiteten, weichen zunehmend einem neuen Ansatz: der Big-Team-Science. Diese kooperative Form der Wissenschaft hat sich in den letzten Jahren vor allem als Reaktion auf die sogenannte Replikationskrise etabliert, die zunächst in der Psychologie offenkundig wurde.
Big-Team-Science ist jedoch nicht völlig neu: Bereits in den Naturwissenschaften, insbesondere in Physik und Genetik, arbeiten seit Jahrzehnten große, internationale Forschungsgruppen zusammen, um komplexe Fragestellungen mit enormem Datenaufkommen und Rechenaufwand zu bewältigen. Erst seit Kurzem adaptierten auch die Wirtschaftswissenschaften dieses Modell, um methodische Transparenz, Qualität und Generalisierbarkeit ihrer Forschungsergebnisse zu verbessern.
Was ist Big-Team-Science?
Big-Team-Science beschreibt umfassende, kollaborative Forschungsprojekte, an denen mehrere Teams oder Forschungsgruppen beteiligt sind. Diese Forschungsform bietet erhebliches Potenzial zur Verbesserung der Reproduzierbarkeit, Aussagekraft und Generalisierbarkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse und eignet sich besonders, um komplexe Fragestellungen der Wirtschaftsforschung fundiert zu bearbeiten.
Empfohlene Umsetzungsschritte:
1. Projektkoordination und -organisation
- Benennen Sie klare Verantwortlichkeiten: Ein koordinierendes Team oder einzelne Koordinator:innen übernehmen zentrale Aufgaben wie Kommunikation, Projektmanagement und Zeitplanung.
- Erstellen Sie einen detaillierten Projektablaufplan und definieren Sie verbindliche Meilensteine sowie klare Aufgaben für jedes beteiligte Team.
2. Standardisierung und Methodenkontrolle
- Entwickeln Sie einheitliche Standards und Protokolle für die Datenerhebung, Datenverarbeitung und Analyseverfahren.
- Dokumentieren Sie Materialien, Erhebungsinstrumente und Analyseverfahren, damit alle Beteiligten konsistent und fehlerfrei arbeiten können.
3. Technische Infrastruktur und Kommunikation
- Nutzen Sie geeignete kollaborative Plattformen für Datenaustausch, Dokumentation und Kommunikation (z. B. Open Science Framework (OSF), GitHub).
- Fördern Sie regelmäßige und transparente Kommunikation zwischen den beteiligten Teams, um Missverständnisse frühzeitig zu erkennen und zu beheben.
4. Transparenz und Reproduzierbarkeit gewährleisten
- Implementieren Sie Instrumente zur Präregistrierung oder verwenden Sie Registered Reports, um methodische Transparenz und Reproduzierbarkeit der Ergebnisse sicherzustellen.
- Dokumentieren und veröffentlichen Sie systematisch und nachvollziehbar alle Abweichungen von ursprünglichen Plänen.
5. Nachhaltige Dokumentation der Ergebnisse und Materialien
- Erstellen und veröffentlichen Sie ein dauerhaft zugängliches Replikationspaket mit Materialien, Codes, und Daten in offenen Repositories (z. B. OSF, Zenodo).
- Versehen Sie Forschungsartefakte mit eindeutigen Identifikatoren (DOI) und verwenden Sie offene Lizenzen (Creative Commons), um eine langfristige Nutzung und Zitierbarkeit sicherzustellen.
6. Verbreitung und Wissensaustausch über verschiedene Zielgruppen hinweg
- Veröffentlichen Sie Ergebnisse frühzeitig über Preprint-Server (z. B. SSRN, PsyArXiv, EconStor), um Feedback aus Ihrer wissenschaftlichen Gemeinschaft zu integrieren.
- Nutzen Sie gezielt Kanäle zur Wissenschaftskommunikation, um Praktiker:innen und ein breiteres Publikum zu erreichen (z. B. soziale Medien, Blogs, Podcasts).
Nutzen von Big-Team-Science im Überblick:
- Verbesserte methodische Transparenz und erhöhte Glaubwürdigkeit
- Verringerung von Publikationsverzerrungen und methodischen Fehlern
- Förderung der Zusammenarbeit über disziplinäre und institutionelle Grenzen hinweg
Mit diesen systematischen Empfehlungen gelingt die erfolgreiche Umsetzung von Big-Team-Science in der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung und trägt langfristig zur Verbesserung wissenschaftlicher Erkenntnisse bei.
Literaturhinweise zur weiteren Vertiefung:
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*Der Text wurde verfasst am 14. März 2025.