Open Science machen heißt, neue Wege zu gehen

Prof. Dr. Thomas Gegenhuber über seine Open-Science-Erfahrungen

Porträt von Professor Dr. Thomas Gegenhuber

Die drei wesentlichen Learnings:

  • Open Courses stellen ein Alleinstellungsmerkmal bei Bewerbungen dar.
  • Wer offene Lehrformate anbietet, zeigt Innovation.
  • Offenheit und Sichtbarkeit ermöglichen das Bilden von Kontakten und Netzwerken.

Sie forschen zu Open Innovation – wie open sind Sie selbst?

TG: Ich habe hier drei Praktiken: Zum einen ist mir wichtig, dass meine Forschungsergebnisse nicht hinter Paywalls versteckt sind. Ich versuche, meine Ergebnisse im Open Access verfügbar zu machen. Das gilt auch für praxisnahe Forschungsreports. Beim Projekt „WirVersusVirus“ haben wir den Learning Report unter CC-BY-veröffentlicht. Zum anderen unterstütze ich Open Courses und mache mit, wenn Gastdozent:innen für Open Courses gesucht werden. Ich war zum Beispiel beim Kurs „Organizing in Times of Crisis“ von Leonard Dornbusch dabei, zusammen mit Hannah Trittin-Ulbrich. Hannah Trittin-Ulbrich hat dann zusammen mit der Universität Kopenhagen einen Open Course gemacht zu „Data and Organizations“ und da hab ich auch eine Einheit zu Plattformen zur Verfügung gestellt. Wenn es solche Initiativen gibt, zu denen ich etwas beitragen kann, dann unterstütze ich diese offenen Kurse mit offenen Kursmaterialien. Ich finde es klasse, wenn die Expertise über Universitäten hinaus gesammelt und den Studierenden angeboten wird. Gleichzeitig wird gezeigt, wie man einen Kurs noch organisieren kann. Hier spielt auch ein Open-Innovation-Gedanke mit. Eine These von Open Innovation ist: Eine Organisation schafft es niemals, das gesamte Wissen in einer Organisation zu bündeln. Die NASA beispielsweise hat sicher super Forscher:innen, aber es wird immer auch exzellente Forscher:innen außerhalb der NASA geben. Das denke ich mir auch bei den Kursen: Jede Universität hat gute Lehrende, aber wenn ich über die Universität hinaus blicke, kann ich die Besten zu einem Thema online zusammenbringen. Zum dritten verwende ich in der Forschung teilweise offen kommunizierte Onlinedaten. Es ist in der qualitativen Forschung, z.B. mit Interviews, nicht so einfach mit der Anonymisierung von Forschungsdaten. Bei Onlinedaten haben wir Firmen und Fälle genommen, die Crowd Funding gemacht haben oder sehr offen auf ihrem Blog kommuniziert haben. Hier kann jetzt jede:r nachvollziehen, was wir in der Forschung gemacht haben. Eine vierte Praxis wäre noch proaktive Wissenschaftskommunikation im klassischen Sinne, aber hier stellt sich die Frage, ob ich das noch unter Open Science einordnen würde.  

Welche Forschungsergebnisse veröffentlichen Sie zusätzlich zu Publikationen?

TG: Bei Codes bemühe ich mich, ausführliche Supplementary Data zu machen. Also das Sichtbarmachen von Daten ist mir wichtig. Was ich bisher nicht gemacht habe, ist das Teilen von MAXQDA-Files. Die sind verbunden mit den Interviews und bei Interviews muss ich die Vertraulichkeit und die Anonymisierung sicherstellen.

Welchen Nutzen haben Sie durch das Teilen von Forschungsergebnissen?

TG: Ich werde gefunden und zitiert. Beispielsweise wurde einer meiner ersten Beiträge aus dem Jahr 2015 zum Thema „Crowdsourcing“ unter einer offenen Lizenz online gestellt und 121 Mal zitiert. Er wurde aufgrund seiner Offenheit oft gefunden, gelesen und verwendet. Wenn ich mir die Statistik ansehe, erkenne ich, dass der Artikel schon 3500 Mal heruntergeladen wurde. Die offene Lizenz war definitiv ein Vorteil. Ich muss aber auch fairerweise dazusagen, dass das Thema oder die Bekanntheit des Co-Autors natürlich auch zur Rezeption beitragen. Es ist ein klarer Vorteil, dass mehr Leute den Artikel lesen und ich natürlich auch weniger E-Mail-Anfragen bekomme als bei Artikeln hinter einer Paywall.

Welche Vorteile haben Sie erlebt durch Ihre offenen Kursmaterialien oder Ihre Teilnahme an Open Courses?

TG: Ganz klar: der Kurs hat einen Award bekommen. Das ist natürlich ein Vorteil. Ab dem 1. September 2021 werde ich Professor an der Johannes-Kepler-Universität in Linz für Social Technical Transitions sein. Eingeladen wird man nur mit guten Forschungspublikationen. Aber dann sollte man sich die Frage stellen, wie man sich von anderen Mitbewerber:innen unterscheidet, auch zum Beispiel in der Lehre. Dass ich Teaching Awards gewonnen bzw. selbst innovative Lehrformate entwickelt habe, das hat mir sicherlich etwas gebracht. Zu zeigen, dass man auch in der Lehre bereit ist, neue Wege zu gehen, ist sicherlich ein Vorteil. Bei der Berufung weiß ich natürlich nicht, was den Ausschlag gegeben hat. Aber ich würde behaupten, dass es dennoch einen Unterschied zu anderen macht. Jetzt habe ich eine Professur, wo es auch darum geht, stärker interdisziplinär zu arbeiten. Durch die positiven Erfahrungen, die ich gemacht habe, kann ich selber ähnliche Lehrformate aufsetzen. Darüber hinaus ist es auch lehrreich zu sehen, was die Kolleg:innen so machen, wie sie das Thema unterrichten, welche Literatur sie verwenden, welche Aufgaben sie stellen. Wir machen viel allein als Professor:innen. Daher tut es gut, zu sehen, wie andere das machen, um davon gegebenenfalls zu lernen.

Sie veröffentlichen offen kommunizierte Onlinedaten. Welche Resonanz erleben Sie hier?

TG: Ich habe einen Riesenvorteil davon, weil ich diese Onlinedaten in der Lehre verwenden kann. Ich unterrichte zum Beispiel Kurse zu Stakeholder-Management, in denen meine Forschung zu Phänomenen wie Crowdfunding oder Blogs sehr relevant ist. Dadurch dass die Fälle sichtbar sind, können die Studierenden sehen, welche Organisationen hinter diesen Fällen stecken. Das macht es greifbarer. Sie stellen daraufhin auch andere Fragen. Ich zeige dann in der Lehre auch, wie ich codiert habe und ich kann mit den Studierenden darüber dann auch im Kurs debattieren.

Zum Thema Wissenschaftskommunikation: Sie waren auf der re:publica und geben auch deutschen bekannten Medien Interviews: Was bringt Ihnen diese Sichtbarkeit für Ihre eigene Forschung?

TG: Es macht für mich wirklich einen Unterschied, dass ich in den Medien sichtbar bin und dass ich auf der re:publica bin. Es ist für mich viel einfacher, wenn es um den Zugang zu Daten oder um Kooperationen geht, da ich als relevanter Akteur wahrgenommen werde. Wenn mich Firmen oder StartUps, deren Daten ich untersuchen möchte, „googeln“, ist es für mich ein Riesenvorteil, wenn ich außerhalb der Wissenschaft präsent bin. Neben dem Feldzugang ist es meiner Ansicht nach auch förderlich für die Sichtbarkeit bei Zuwendungsgebern. Und noch mal zurück zur Lehre: Ich bekomme auch viele Kontakte, die ich dann in meine Kurse einladen kann. Beispielsweise habe ich auf der re:publica die Ferdous Nasri von CodeCurious kennengelernt. Das ist eine Berliner Coding Community. Ferdous Nasri hat dann bei der Startwoche an der Leuphana Universität vorgetragen, was dann wiederum positive Effekte hatte, da sich mehr Student:innen für das freiwillige Lehrangebot von DataX interessierten –ein Leuphana-Projekt das grundlegende Programmier- und Datenanalysekenntnisse vermittelt. Das ist natürlich mit Arbeit verbunden, sichtbar zu sein. Und manche Universitäten sehen das gern, wie die Leuphana Universität, manche eher nicht. Das ist noch sehr verschieden.

Haben Sie Tipps für andere Wirtschaftswissenschaftler:innen in Sachen Open Science?

TG: Für den ersten Einstieg empfehle ich definitiv das Publizieren im Open Access sofern Gelder dafür vorhanden sind. Aber viele Hochschulen fördern das explizit. Man merkt es schnell an den Downloadzahlen, wenn der Artikel im Open Access zur Verfügung steht.

Vielen Dank!

Das Interview wurde geführt von Dr. Doreen Siegfried.

Das Interview wurde geführt am 13.04.2021.

Über Prof. Dr. Thomas Gegenhuber

Thomas Gegenhuber ist Professor für Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt digitale Transformation an der Leuphana Universität Lüneburg. Zum 1. September 2021 übernimmt er die Professur „Social Technical Transitions“ an der Johannes Kepler Universität Linz (Österreich).

Thomas Gegenhuber blickt mit organisationstheoretischen Perspektiven auf Phänomene der digitalen Transformation. Dazu zählen crowd-getriebene Organisationsformen, Offenheit als Organisationspraxis sowie Cultural Entrepreneurship in einer digitalen Ökonomie. Gegenhuber hat seine Arbeit in wissenschaftlichen und praxisorientierten Konferenzen präsentiert und für bzw. mit einem Vordenker der digitalen Transformation, Don Tapscott, gearbeitet. Seit Januar 2021 gehört Thomas Gegenhuber der Sachverständigenkommission für den Dritten Gleichstellungsbericht unter der Bundesministerin Franziska Giffey als Experte für betriebswirtschaftliche Fragen an. Sein Arbeitsschwerpunkt im Gutachten war vor allem das Thema „Digitalisierungsbezogene Gründungen“.

Kontakt: https://www.leuphana.de/institute/imo/personen/thomas-gegenhuber.html

Twitter: https://twitter.com/gegenhuber




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