Mit Verlagen neue Geschäftsmodelle verhandeln

Open-Access-Transformation: Die ZBW verhandelt für den freien Zugang zur Wirtschaftswissenschaft

Die Wissenschaft steht weltweit vor einem grundlegenden Wandel. Angesichts stetig steigender Kosten und einer wachsenden Menge an wissenschaftlichen Publikationen hinter Bezahlschranken setzt die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft auf Open Access als neuen Standard für den Zugang zu Forschungsergebnissen. Dies soll wissenschaftliche Publikationen für die Wissenschaft uneingeschränkt und ohne finanzielle Hürden zugänglich machen. Der Verhandlungsaufwand mit wissenschaftlichen Verlagen ist dabei enorm, da die Strukturen des Marktes und die Finanzierungsmodelle langfristig angepasst werden müssen.

Warum Open Access?

Traditionelle Publikationsmodelle erfordern hohe Gebühren für den Zugang zu von Forschenden erstellten Inhalten. Open Access hingegen macht Forschungsergebnisse frei zugänglich und ermöglicht so eine kostenfreie Nutzung und Verbreitung. Dieses Modell stärkt die Unabhängigkeit der Wissenschaft und macht Erkenntnisse für alle zugänglich – in Forschung, Lehre und Gesellschaft. Die Umsetzung erfordert jedoch umfassende Anpassungen der Finanzierungs- und Lizenzierungsstrukturen.

Das Verhandlungsumfeld und die Transformation

Ein wesentlicher Teil der Arbeit der ZBW besteht vor diesem Hintergrund darin, Strukturen gemeinschaftlich mit Partnern zu modifizieren und für deutsche Universitäten, Hochschulen und Forschungseinrichtungen Konsortialverträge mit internationalen Verlagen zu schließen. Das Ziel dieser Verhandlungen ist es, Open-Access-Optionen zu etablieren, ohne zusätzliche Kosten für Wissenschaftseinrichtungen zu verursachen.

Jens Lazarus, Leitung Bestands- und Lizenzmanagement, ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft: „Was wir hier unternehmen, ist eine Umstellung eines gesamten Marktes auf ein anderes Finanzierungsmodell. Also von daher. Ich habe, ich glaube, wir müssen einen längeren Atem haben.“

Der Vertrag mit dem viertgrößten Wissenschaftsverlag Taylor & Francis stellt einen ersten Schritt dar, der einen Übergang zu Open-Access-Modellen ermöglichen soll. Doch gerade die großen wissenschaftlichen Verlage operieren in einem komplexen Marktumfeld, in dem Lizenzgebühren nur ein Teil des Geschäftsmodells sind. So sehen sich Verlage wie Elsevier und Springer zunehmend als Anbieter von Forschungsdaten und Evaluationssystemen und weniger als Produzenten wissenschaftlicher Zeitschriften.

Der Abschluss von Transformationsverträgen für Open Access ist daher ein langfristiger Prozess, der sowohl die Flexibilität der Verlage als auch die finanzielle Anpassungsfähigkeit der Wissenschaftseinrichtungen erfordert. Die ZBW arbeitet mit langjähriger Erfahrung daran, diese Verträge auszugestalten und mit den spezifischen Bedürfnissen der deutschen Wissenschaft zu vereinbaren.

🎙️Hörtipp: Podcastfolge mit Jens Lazarus „Open-Access-Transfornation im wissenschaftlichen Publikationsmarkt“

Die Verlagerung von Kosten: Ein Balanceakt

Die Umstellung auf Open Access bedeutet, dass traditionelle Budgetierungsansätze hinterfragt und teils radikal angepasst werden müssen. In Subskriptionsmodellen zahlten wissenschaftliche Einrichtungen für den Zugang zu Forschungsergebnissen, was sich als feste Größe in ihren Budgets widerspiegelte. Mit Open Access verschiebt sich der Schwerpunkt der Finanzierung jedoch zunehmend auf die Veröffentlichungskosten, sogenannte Article Processing Charges (APCs). Einrichtungen, die viel publizieren, benötigen dadurch deutlich höhere Mittel als solche, die nur wenig veröffentlichen.

Jens Lazarus, Leitung Bestands- und Lizenzmanagement, ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft: „An irgendeiner Stelle müssen Einrichtungen, die vielleicht weniger publizieren, auf Budgetierung verzichten, zugunsten von Einrichtungen, die sehr viel publizieren. Und das ist, glaube ich, der Konflikt, den wir auch intern mit uns haben.“

Die Herausforderung für den Wissenschaftsbetrieb und im Besonderen für konsortialführende Einrichtungen wie die ZBW und auch Verlage liegt darin, ein Finanzierungssystem zu schaffen, das sowohl Vielpublizierende als auch Einrichtungen mit geringerer Publikationsdichte unterstützt und so eine faire Verteilung der Kosten ermöglicht.

Veränderungen in der Zusammenarbeit mit Verlagen

Für die ZBW erfordert die Arbeit an Open-Access-Modellen neben Geduld auch ein Umdenken, da Verlage weiterhin ihr kommerzielles Interesse verfolgen und Umsatzerwartungen im Fokus stehen. Verhandlungen mit Taylor & Francis haben gezeigt, dass Verlage unter dem Druck veränderter forschungspolitischer Rahmenbedingungen bereit sind, neue Wege zu gehen und unterschiedliche Geschäftsmodelle auszuloten. Der verhandelte Einstieg in Open Access mit Taylor & Francis stellt somit einen ersten wichtigen Schritt dar, ist aber noch kein finaler Lösungsansatz.

Die ZBW setzt daher auf Verhandlungsmodelle, die schrittweise Transformation ermöglichen und beiden Seiten die notwendige Flexibilität bieten, um gemeinsam zu erproben, wie die komplexen Marktstrukturen angepasst werden können. Langfristig geht es darum, nicht nur hybride Modelle, bei denen Publikationen teils frei zugänglich und teils hinter Bezahlschranken sind, zu fördern, sondern vollständig offene Publikationsmodelle zu schaffen.

Internationale Zusammenarbeit als Grundlage

Die Open-Access-Transformation ist ein Vorhaben, das international abgestimmt werden muss. Für Deutschland allein lässt sich Open Access nur schwer als Standard durchsetzen, da die Verlage international operieren. Die ZBW kooperiert eng mit europäischen und nordamerikanischen Forschungseinrichtungen und Bibliotheken, um die Transformation gemeinsam voranzutreiben. Europa, das früh durch Forschungsförderer Open Access gefördert hat, nimmt hier eine zentrale Rolle ein, und auch Nordamerika hat mittlerweile ein starkes Interesse an offenen Wissenschaftsmodellen entwickelt. Langfristig sind international abgestimmte Lizenz- und Finanzierungsmodelle erforderlich, um den offenen Zugang zu Wissen zu einem globalen Standard zu machen.

Open Access und die Rolle der Bibliotheken

Für die Wissenschaftseinrichtungen bedeutet der Wandel hin zu Open Access eine stärkere Einbindung der Bibliotheken in den Publikationsprozess. War ihre Rolle in der Vergangenheit vor allem die der Vermittlung von Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen, so entwickeln sich Bibliotheken nun zu strategischen Partnern, die den gesamten Publikationsprozess begleiten. Bibliotheken sind heute mehr denn je für Wissenschaftler:innen ein Ansprechpartner für Fragen zur Publikationsfinanzierung und bieten Beratungen zu Fördermöglichkeiten sowie zu Open-Access-Publikationsfonds an. Sie übernehmen zudem eine wichtige Rolle, um den Wert und die Sichtbarkeit der eigenen Forschung im internationalen Kontext zu erhöhen.

Jens Lazarus: „Es geht auch um Geld. Wer finanziert mir meine Publikation? Muss ich das aus meinen eigenen Forschungsmitteln bezahlen oder übernimmt das wunderbarerweise die Bibliothek, weil die gut verhandelt haben.“

Durch Verhandlungen und Publikationsfonds ermöglicht die ZBW Wirtschaftsforschenden, ihre Ergebnisse mit maximaler Sichtbarkeit und ohne finanzielle Belastungen zu publizieren. Open-Access-Publikationen sind nachweislich häufiger zitiert und tragen damit stärker zur internationalen Wissenschaftsreputation bei.

Open Access als nachhaltiges Wissenschaftsmodell

Die Transformation hin zu Open Access wird die Wissenschaft nachhaltig verändern. Die Rolle der Bibliotheken wird dadurch gestärkt, und die Zusammenarbeit mit Verlagen wird neu definiert. Die ZBW sieht sich dabei als treibende Kraft für eine offene, zugängliche Wissenschaft und setzt auf kooperative Lösungen und langfristige Verhandlungen. Langfristig bietet Open Access nicht nur eine fairere Verteilung wissenschaftlicher Erkenntnisse, sondern auch neue Chancen für Forschende, die ihre Arbeit einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen wollen.

*Der Text wurde verfasst am 25. Oktober 2024.



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