Offene Bildungsressourcen in der Wirtschaftsforschung
Umfassender Themenbereich zu Open Educational Resources im Open Economics Guide der ZBW
Open Educational Resources (OER) haben in den vergangenen Jahren unter anderem aufgrund hoher Kosten für Lehrbücher, insbesondere in den USA, an Bedeutung gewonnen. In vielen Fachbereichen gibt es mittlerweile eine große Zahl an frei verfügbaren Lehr- und Lernmaterialien im Internet. OER sind unabhängig von Art und Medium und können sowohl einzelne Materialien, aber auch komplette Kurse oder Bücher umfassen. Weitere Beispiele sind Lehrpläne, Kursmaterialien und Übungen, Wikis, Videos, Multimedia-Anwendungen oder Podcasts. Auch MOOCs (Massive Open Online Courses) von Universitäten und anderen Bildungseinrichtungen fallen darunter, sofern sie unter einer offenen Lizenz angeboten werden. OER sind ein Baustein, um Open Education zu erreichen.
Die Integration von OER in Lehrpläne unterstützt zudem die Anwendung praktischer und interaktiver Lehrmethoden. Durch offene Lizenzen (meist Creative-Commons-Lizenzen) können Lehrkräfte Materialien anpassen und direkt auf die Bedürfnisse ihrer Studierenden sowie auf spezifische Kursziele zugeschnittenen Inhalt bieten. Darüber hinaus erleichtert die Verfügbarkeit von OER in Repositorien die Vernetzung und den Austausch zwischen Wirtschaftsforschenden, was die kollektive Entwicklung und Verbesserung von Lehrmaterialien fördert.
Hier eine Auswahl an Beispielen, die einen Einblick in die Vielfalt von offenen Bildungsressourcen in den Wirtschaftswissenschaften geben:
- Lehrbuch: Introduction to Econometrics with R ist ein OER-Projekt der Universität Essen mit Open-Review-Verfahren und erstellt mit Bookdown und Gitbook.
- Fallstudien: Open Case Studies der University of British Columbia mit einem thematischen Schwerpunkt rund um Nachhaltigkeitsthemen. Weitere Lehrbücher und Fallstudien können Sie beispielsweise bei EconBiz recherchieren.
- Vorlesungen: Open Yale Courses Economics: Open Yale – Economics
- Simulationen: Econ Simulations enthält Simulationen, die unter Creative Commons Attribution-NonCommercial-ShareAlike 4.0 International Public License lizenziert sind.
- Tutorials & Quizzes: Der Catalogue of H5P Content von eCampusOntario enthält Content, interaktive Tutorials, Quizzes, Zeitleisten und Simulationen unter anderem zu Business und Management, die heruntergeladen werden können.
- Interaktive Lernelemente: Das Projekt “Starting Point: Teaching Economics” bietet “Interactive Lecture Demonstrations in Economics”
Wirtschaftswissenschaftliche Netzwerke, wie CORE Econ – Economics for a changing world und The Economics Network, tragen zur Erstellung und Sammlung von OER bei.
Open Educational Resources als Schwerpunktthema im Open Economics Guide
Die Aufnahme von OER in den Open Economics Guide der ZBW – die Wissensdatenbank für Open-Science-Praktiken für die Wirtschaftsforschung, der mittlerweile 125 Hintergrundartikel zu Open Science aufweist, markiert einen wichtigen Schritt zur Integration offener Bildungspraktiken in die Wirtschaftsforschung. Laut der Open-Science-Studie 2019 spielen für 45 Prozent aller Wirtschaftsforschenden OER eine Rolle in ihrem Arbeitsalltag.
Der Bereich OER im Open Economics Guide bietet Wirtschaftsforschenden nun eine umfassende Unterstützung, um das Potenzial offener Bildungsressourcen voll auszuschöpfen. Durch vier wesentliche Hilfestellungen werden Forschende in der Erkennung, Nutzung, Erstellung und Veröffentlichung von OER gefördert.
Der Guide erleichtert den Einstieg in die Welt der OER, indem er zeigt, wie man diese erkennt und effektiv einsetzt. Wirtschaftsforschende lernen, die Qualität von offenen Lern- und Lehrmaterialien zu beurteilen und rechtliche Aspekte zu beachten, um eine fundierte Auswahl zu treffen. Zudem werden Trainings- und Unterstützungsmöglichkeiten aufgezeigt, die den Forschenden helfen, sich in diesem Bereich weiterzubilden und die Nutzung von OER in ihrer Lehre und Forschung zu optimieren.
Da die effektive Recherche nach OER entscheidend ist, um passende und qualitativ hochwertige Materialien zu finden, stellt der Open Economics Guide Suchstrategien vor und bietet einen Überblick über Repositorien, Portale und Metasuchmaschinen speziell für OER in den Wirtschaftswissenschaften. Zusätzlich werden Verzeichnisse offener Lehrbücher präsentiert, die einen schnellen Zugriff auf relevante Lehrmaterialien ermöglichen.
Für Forschende, die selbst OER erstellen möchten, bietet der Open Economics Guide zudem praktische Tipps und Ressourcen. Von der Erstellung offener Lehrbücher bis hin zu anderen OER-Formaten werden Strategien für die Erstellung, einschließlich der Nutzung freilizenzierter Bilder, Audios und Videos, vermittelt. Der Guide hilft auch bei der Auswahl geeigneter OER-Tools nach Anwendungsgebieten und stellt Kriterien für die Auswahl dieser Tools bereit.
Da die Veröffentlichung von OER ein wichtiger Schritt ist, um das eigene Wissen mit der Gemeinschaft zu teilen, informiert der Open Economics Guide über geeignete Veröffentlichungsorte und wichtige Überlegungen bei der Veröffentlichung von OER. Er klärt über die Wahl der richtigen Lizenz auf und führt die sogenannte TULLU-Regel ein, um OER korrekt zu kennzeichnen und damit die Sichtbarkeit und Nutzbarkeit der Ressourcen zu maximieren. Die TULLU-Regel liefert essentielle Informationen für den Einsatz von Open Educational Resources (OER) und setzt sich wie folgt zusammen: (T) Titel des Materials für eine klare Identifizierung, (U) Urheber:in, der bzw. die namentlich genannt wird, (L) Lizenz, die die genauen Nutzungsbedingungen inklusive der Versionsnummer angibt, (L) Link zur Lizenz, der den Zugriff auf den vollständigen Lizenztext ermöglicht oder, als Alternative, eine Kopie des Lizenztextes, und (U) Ursprungsort des Materials, der in der Regel durch einen Link erschlossen wird. Diese präzisen Angaben unterstützen eine transparente und rechtskonforme Verwendung von Lehr- und Lernmaterialien.
Warum sind Offene Lern- und Lehrmaterialien wichtig?
Die Freigabe von Bildungsressourcen als OER ermöglicht einen freien Zugang zu Bildung für einen größeren Personenkreis. Sowohl für Lernende als auch Lehrende kann dies Vorteile bedeuten. Zu den Gründen, die für OER sprechen, gehören:
- Keine Anschaffungskosten: Dadurch, dass keine Kosten, beispielsweise für teure Lehrbücher, anfallen, tragen OER zur Chancengleichheit bei.
- Verfügbarkeit: Digitale OER sind universell verfügbar und schneller bei den Lernenden als etwa gedruckte Lehrbücher. Zudem können sie von vielen Lernenden gleichzeitig genutzt werden, egal wo diese sich befinden.
- Wissenstransfer: OER können die Verbreitung von Wissen beschleunigen.
- Selbstorganisation: OER können selbstbestimmtes Lernen fördern.
- Zeitersparnis und Anpassbarkeit: Durch die Nachnutzung von OER können Lehrende Zeit sparen. Sie können vorhandene OER zudem passend für ihre Studierenden und ihren eigenen Stil überarbeiten.
- Potenziell höhere Qualität: Durch ihren offenen Ansatz bieten OER mehr Feedbackmöglichkeiten. Dazu gehört auch die (wissenschaftliche) Qualitätssicherung im Rahmen eines intensiveren Peer-Review-Prozesses. OER können zudem kontinuierlich verbessert und aktualisiert werden.
- Lehrinnovationen: Der Austausch von OER befördert das Entstehen neuer didaktischer Konzepte und die Aufhebung der klassischen Trennung von Lernenden und Lehrenden hin zugunsten dialogischer Formate. Studierende können leichter in die Weiterbearbeitung von Materialien einbezogen werden, ihre Ideen, neue Ansätze und Forschungsfragen einbringen.
- Reputation durch Lehrleistung: Dank OER können die von Lehrenden geschaffenen Inhalte mehr Menschen erreichen und bekommen damit mehr Sichtbarkeit. Die im Zuge der Lehrtätigkeit erbrachte Leistung kann so außen vermehrt wahrgenommen werden und die Reputation von Lehrenden und ihrer Hochschule steigern.
Über den Open Economics Guide:
Die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft bietet mit dem Open Economics Guide eine umfassende Plattform, die Wirtschaftsforschende dabei unterstützt, Open-Science-Praktiken in ihrer Arbeit anzuwenden. Der Guide informiert nicht nur über die allgemeinen Anwendungspotenziale von Open-Science-Praktiken, sondern der Open Economics Guide bietet darüber hinaus wertvolle Unterstützung durch die Vorstellung konkreter digitaler Werkzeuge, die Forschende bei der Implementierung von Open Access, Open Data, Open Code und Open Educational Resources in ihrer Arbeit nutzen können. Neben einem fortlaufend aktualisierten Verzeichnis an aktuell über 130 Open-Science-Tools bietet die Plattform auch einen Veranstaltungskalender, einen Blog und einen regelmäßig erscheinenden Newsletter.
*Der Text wurde verfasst am 22. Oktober 2024.