Verantwortungsvolle Open Science

Schulungsmaterialien für die Sozialwissenschaften vom ROSiE-Projekt

Ein Gehirn mit Hanteln auf rosa Hintergrund

Es gibt zahlreiche Schulungsunterlagen und Trainingshandbücher zum Thema Open Science, jedoch sind die meisten davon generisch und nicht speziell auf die Bedürfnisse der Wirtschaftsforschung zugeschnitten. Das ROSiE-Projekt (Responsible Open Science in Europe), welches sich zum Ziel setzt, verantwortungsvolle offene Wissenschaft in ganz Europa zu fördern und umzusetzen, hat maßgeschneiderte Schulungsmaterialien und Lehrstrategien entwickelt, die gezielt auf verschiedene Disziplinen ausgerichtet sind, darunter auch die Sozialwissenschaften. Erfahren Sie mehr über die spezifischen Lehr- und Lernstrategien sowie die behandelten Themen. Diese Ressourcen sind besonders relevant für Dozent:innen im Bereich der Wirtschaftswissenschaften.

Die Autor:innen Signe Mežinska und Ivars Neiders präsentieren im Rahmen des ROSiE-Projekts (https://rosie-project.eu) Trainingsmaterialien für Responsible Open Science in den Sozialwissenschaften. Das Hauptziel dieser Schulungsmaterialien ist es, den Teilnehmer:innen beizubringen, wie sie Open Science verantwortungsvoll praktizieren können und wie sie Forschungsfehler im Zusammenhang mit Open Science vermeiden können. Dies geschieht durch die Vermittlung von notwendigem Wissen sowie die Entwicklung spezifischer Fähigkeiten und Einstellungen.

Im didaktischen Rahmen von ROSiE wurden die folgenden Fähigkeiten und Einstellungen identifiziert, die in vier Bereichen für eine verantwortungsvolle Ausübung von Open Science erforderlich sind: (1) Lokales und globales Engagement, (2) Persönliche und soziale Verantwortung, (3) epistemische Fähigkeiten, und (4) kooperative Problemlösung.

Um die besten Ergebnisse zu erzielen, stützen sich die ROSiE-Trainingsmaterialien auf verschiedene Lern- und Lehrstrategien, darunter (a) gemeinsames Problemlösen, (b) fallbezogene Aktivitäten, (c) dialogische Aktivitäten, und (d) transformatives Lernen.

Das Trainingsmaterial besteht aus einem Ordner für Trainer:innen bzw. Dozent:innen mit acht Einheiten und den entsprechenden Aktivitäten sowie einem separaten Ordner mit Materialien für die Trainees, einschließlich erforderlicher Lektüre, Handouts und Ausdrucken. Die Aktivitäten können entweder separat durchgeführt werden, beispielsweise für die Organisation einzelner Workshops zur Diskussion von Fällen, oder für die Durchführung eines umfassenden zweitägigen Schulungskurses.

Hier ist eine Übersicht über die Aktivitäten, die insbesondere für Wirtschaftsforschende von gesteigertem Interesse sein dürften:

Grundsätze, Werte und Vorteile von Open Science sowie die wichtigsten Herausforderungen bei der Umsetzung von Open Science

Die Teilnehmenden beginnen mit einer Selbstlernaufgabe, in der sie die UNESCO-Empfehlung zur offenen Wissenschaft lesen und ein Lesejournal mit doppelter Eintragung führen. Das Lesejournal dient dazu, dass die Teilnehmer:innen ihre Gedanken und Eindrücke aus dem Text festhalten und reflektieren. Anschließend folgt eine Diskussion im Seminar in Form eines sokratischen Seminars, bei dem die Grundsätze und Werte von Open Science sowie die wichtigsten Vor- und Nachteile besprochen werden. Ein Sokratisches Seminar ist eine pädagogische Methode, die auf dem Sokratischen Dialog basiert, einer Art philosophischer Diskussion, die ihren Ursprung im Denken des antiken griechischen Philosophen Sokrates hat. Diese Methode wird in der Lehre häufig verwendet, um kritisches Denken, Argumentation und die Entwicklung von Ideen zu fördern.

Offener Austausch von sensiblen qualitativen Daten in den Sozialwissenschaften

In dieser Aktivität stehen Fallstudien ethischer Fragen im Mittelpunkt, die sich bei der Erhebung, dem offenen Austausch und der Wiederverwendung sensibler qualitativer Daten in den Sozialwissenschaften ergeben können. Die Teilnehmenden werden in kleine Gruppen aufgeteilt und erhalten jeweils eine Fallstudie, die sie gemeinsam analysieren sollen. Während der Gruppendiskussion reflektieren die Trainees über die ethischen Herausforderungen und Risiken im Umgang mit sensiblen Daten. Sie erörtern Lösungsansätze und bewerten die möglichen Auswirkungen auf die Forschungsteilnehmer:innen und die Qualität der Forschungsergebnisse. Nach der Gruppendiskussion bringen die Kleingruppen ihre Erkenntnisse in die Gesamtdiskussion ein, um verschiedene Perspektiven zu beleuchten und ein besseres Verständnis für die komplexen Fragen im Zusammenhang mit sensiblen Daten in den Sozialwissenschaften zu entwickeln.

Verantwortungsvolle gemeinsame Nutzung und Wiederverwendung von offenen sozialwissenschaftlichen Daten

Diese Aktivität beginnt mit einem Brainstorming, bei dem die Teilnehmer:innen ihre Ansichten über die gemeinsame Nutzung und Wiederverwendung von Forschungsdaten teilen. Sie werden ermutigt, ihre Gedanken frei zu äußern und mögliche Hürden oder Bedenken zu identifizieren. Anschließend folgt eine Gruppendiskussion, bei der die Trainees die Herausforderungen und Möglichkeiten bei der gemeinsamen Nutzung und Wiederverwendung von Daten erörtern. Sie tauschen Ideen aus, wie diese Praktiken verbessert werden können, und entwickeln ein Verständnis für die verschiedenen Faktoren, die die Bereitschaft zur Weitergabe und Nutzung offener Forschungsdaten beeinflussen. Dies fördert die Sensibilisierung für die Bedeutung verantwortungsvoller Datennutzung in den Sozialwissenschaften.

Vermeidung von Fehlverhalten in der Forschung im Zusammenhang mit Open Science

In dieser Aktivität geht es darum, verschiedene Arten von Verstößen gegen die Integrität der Forschung im Kontext von Open Science zu diskutieren und Maßnahmen zu deren Verhinderung zu erarbeiten. Die Teilnehmenden werden in fünf Gruppen aufgeteilt, und jede Gruppe hat die Aufgabe, über mögliche Arten von Verstößen nachzudenken und Präventivmaßnahmen für jede dieser Arten von Open-Science-Aktivitäten zu entwickeln.

Die Gruppenarbeit fördert die Zusammenarbeit und das kritische Denken der Teilnehmenden, da sie gemeinsam überlegen, wie sie ethische Herausforderungen im Zusammenhang mit Open Science bewältigen können. Jede Gruppe erarbeitet ihre Ergebnisse und Lösungsvorschläge.

Nach der Gruppenarbeit findet eine Plenarsitzung statt, in der alle Teilnehmenden die Gelegenheit haben, die Ergebnisse der Gruppenarbeit zu ergänzen. Dies ermöglicht einen umfassenden Blick auf mögliche Fehlverhalten in der Forschung bei Open Science und die besten Präventionsstrategien. Das Hauptziel dieser Aktivität ist es, den Teilnehmenden ein Verständnis für die verschiedenen Arten von Fehlverhalten in der Forschung bei Open Science zu vermitteln und sie dazu zu befähigen, Maßnahmen zur Prävention zu entwickeln.

Verantwortungsvolle Verbreitungs-/Veröffentlichungspraxis

In dieser Aktivität wird die Vier-Quadranten-Methode zur Fallanalyse von Verdrängungspraktiken angewendet. Die Teilnehmenden werden gebeten, einen Fall in kleinen Gruppen zu diskutieren und die Vier-Quadranten-Vorlage auszufüllen. Diese Methode ermöglicht es den Teilnehmenden, einen systematischen Ansatz zur Analyse von Verdrängungspraktiken bei Open-Access-Veröffentlichungen anzuwenden.

Die Vier-Quadranten-Vorlage hilft den Teilnehmenden, den Fall aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, indem sie Fragen zu den vier Quadranten beantworten: (1) ethische Prinzipien, (2) rechtliche Aspekte, (3) institutionelle Richtlinien und (4) individuelle Verantwortung. Dies fördert eine umfassende und kritische Analyse des Falls.

Nachdem die Kleingruppen die Vier-Quadranten-Analyse durchgeführt haben, erstatten sie der Gesamtgruppe Bericht und setzen die Diskussion fort. Dies ermöglicht es den Teilnehmenden, die verschiedenen Aspekte der Verantwortung und Ethik bei Open-Access-Veröffentlichungen zu diskutieren. Das Lernziel dieser Aktivität ist es, Kriterien für bewährte Praktiken bei Open-Access-Veröffentlichungen zu verstehen und anzuwenden, um ethisch verantwortungsbewusste Verbreitungs- und Veröffentlichungspraktiken zu fördern.

Über das ROSiE-Projekt

Das ROSiE-Projekt (Responsible Open Science in Europe) ist eine Initiative, die sich auf die Förderung und Implementierung verantwortungsvoller offener Wissenschaft in Europa konzentriert. Ziel des Projekts ist es, Wissenschaftler:innen, Forschungseinrichtungen und die breite Öffentlichkeit für die ethischen, sozialen und methodischen Aspekte von Open Science zu sensibilisieren.

ROSiE entwickelt Schulungsmaterialien und Lehrstrategien, die Forschenden helfen sollen, Open Science verantwortungsbewusst zu praktizieren und Fehlverhalten in der Forschung zu verhindern. Diese Materialien sind speziell auf verschiedene Disziplinen zugeschnitten und decken Themen wie Datenmanagement, Ethik in der Forschung und transparente wissenschaftliche Praktiken ab.

Durch die Förderung von verantwortungsvollem Verhalten in der Wissenschaft und die Stärkung der Zusammenarbeit zwischen Forschungseinrichtungen und der Gesellschaft trägt das ROSiE-Projekt dazu bei, die Integrität der Forschung zu wahren und das Vertrauen in die Wissenschaft zu stärken. Es ist ein wichtiger Schritt in Richtung einer transparenten, ethischen und nachhaltigen Wissenschaftspraxis in Europa.

URL: https://rosie-project.eu

Der Artikel wurde verfasst am 5. Januar 2024.




Zurück zum Open-Science-Magazin