Was ist zu beachten beim Publizieren von kumulativen Arbeiten im Open Access?
Rechtliches Folge 11
Wenn Teile aus meiner Dissertation vorab veröffentlicht werden (müssen) und diese (teilweise) in einem Closed-Acces-Verlag erscheinen, inwiefern kann ich die vollständige Dissertation am Ende noch im Open Access publizieren (beispielsweise bei einem anderen Verlag oder auf einem institutionellen Repositorium)? Wie ist die Rechtslage bei kumulativen Dissertationen? Was gilt es zu beachten (vor und nach der Veröffentlichung der Teile aus der Dissertation, bei der Veröffentlichung der kompletten Dissertation)?
Werden in einem Dissertationsvorhaben Zwischenergebnisse in Verlagspublikationen vorveröffentlicht, hängt die spätere Verwertungsfähigkeit der Gesamtarbeit (auch) von den hierüber abgeschlossenen Verträgen ab. Dies kann bei kumulativen Dissertationen genauso zum Problem werden wie bei anderen Arten von Vor- oder Zwischenpublikation von Teilen wissenschaftlicher Arbeiten.
Entscheidend ist bei solchen Vorhaben, dass über Vor- und Zwischenveröffentlichungen nur Verträge geschlossen werden, die die Publikation der Gesamtarbeit nicht oder zumindest nicht wesentlich behindern. Wollen Sie sich sämtliche Optionen offenhalten, sollten allenfalls nicht ausschließliche (= nicht exklusive) Rechte vergeben werden.
Würden Sie als Autor:in einem Verlag an einem Kapitel oder einem Teilbeitrag der kumulativen Dissertation ein ausschließliches Nutzungsrecht übertragen, müsste der Verlag der späteren Open-Access-Publikation dieses Teils zustimmen. Dementsprechend muss er bei der Gesamtpublikation einbezogen werden und Sie als Autor:in wären auf das Einverständnis des Verlags angewiesen.
Hiervor können Sie sich schützen, indem Sie im Rahmen der Vor- und Zwischenveröffentlichungen klare Absprachen über die Gesamtpublikation treffen, um diesbezügliche Einschränkungen zu vermeiden. Das Zweitveröffentlichungsrecht (§ 38 Abs. 4 UrhG) hilft bei solchen Vorhaben nur in bestimmten Fällen weiter. Es sind sinnvolle vertragliche Abreden zu treffen und – natürlich – auch einzuhalten.
Was ist zu beachten, wenn kumulative Arbeiten (mit Artikeln aus verschiedenen kommerziellen Journals) auf unserem Server publiziert werden sollen? Welche Pflichten der Rechteprüfung haben wir dabei? Auch die Auswahl einer CC-Lizenz ist unter Umständen rechtlich nicht möglich. Wie kann das gesteuert werden?
Es ist darauf zu achten, dass durch solche Publikationen keine Rechte Dritter (von Autor:innen, Verlagen und so weiter) verletzt werden. Die Rechtslage ist vollumfänglich zu prüfen. „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht“ gilt auch in solchen Fällen.
Ob kumulative Arbeiten publiziert werden können und was dabei zu beachten ist, hängt unter anderem von den Rechten an den Vorpublikationen ab. Greift ein Zweitveröffentlichungsrecht für einzelne Publikationen, ergeben sich hieraus diesbezügliche Möglichkeiten und Befugnisse. Die hiermit zusammenhängenden Fragen sind aber nicht trivial und sollten von juristisch geschulten Personen geprüft werden.
Entscheidend ist in der Regel, welche Rechte an den vorveröffentlichten Inhalten an Dritte, zum Beispiel einen Verlag, vergeben wurden. Verlagspublikationen können in aller Regel nicht ohne Beteiligung und Einverständnis des Verlags als Open Access unter einer CC-Lizenz zweitveröffentlicht werden. Um in solch komplexen Konstellationen Fehler zu vermeiden und eine einheitliche, zentrale Handhabung zu gewährleisten, sind Compliance-Prozesse sinnvoll.
Die hier aufgeführten Fragen und Antworten stammen aus dem Buch Rechtsfragen bei Open Science von Dr. Till Kreutzer und Dr. Henning Lahmann. Einem kostenfreien Leitfaden zu Rechtsfragen bei Open Science, der eine praxisnahe Aufbereitung und Vermittlung bietet. Link zur vollständigen 2. überarbeiteten und erweiterten Auflage: dx.doi.org/10.15460/HUP.211
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Dr. Till Kreutzer ist Rechtsanwalt, Rechtswissenschaftler und Publizist. Er ist Mitgründer des iRights.Lab, dem unabhängigen Think Tank über Strategien für die digitale Welt sowie Mitgründer und Herausgeber von iRights.info (Internetportal für Verbraucher und Kreative zum Urheberrecht in der digitalen Welt).
Er ist assoziiertes Mitglied des Forschungsbereichs Medien- und Telekommunikationsrecht am Hans-Bredow-Institut für Medienforschung an der Universität Hamburg und Mitglied des Instituts für Rechtsfragen der Freien und Open Source Software (ifrOSS).
Dr. Henning Lahmann arbeitet als Senior Researcher am Digital Society Institute der ESMT Berlin, als Senior Policy Advisor am iRights.Lab sowie als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei iRights.Law in Berlin.
URL: https://faculty-research.esmt.berlin/person/henning-christian-lahmann/bio