Open-Access in der Wirtschaftsforschung: Hürden und Wege zur Transformation
ZBW-Panel beleuchtet Herausforderungen und Lösungen der Open-Access-Transformation
Die Open-Access-Bewegung zielt darauf ab, wissenschaftliche Forschung frei zugänglich zu machen. In der Wirtschaftsforschung steht sie jedoch vor erheblichen Hürden. Der Publikationsmarkt wird von wenigen großen Verlagskonzernen dominiert, die von der unentgeltlichen Arbeit der Forschenden profitieren und den Wettbewerb stark einschränken. Neue Fachzeitschriften haben es schwer, sich durchzusetzen, da sich Forschende oft an der etablierten Reputation von Zeitschriften orientieren. Zusätzlich begünstigen hohe Publikationsgebühren das Wachstum fragwürdiger Zeitschriften („Predatory Journals“).
Die zentrale Frage, wie die Kontrolle über wissenschaftliche Publikationen wieder stärker in die Hände der Forschenden gelangen kann, wurde auch auf dem ZBW-Panel 2024 auf der VfS-Jahrestagung intensiv diskutiert.
Auf der diesjährigen Jahrestagung des Vereins für Socialpolitik (VfS), die vom 15. bis 18. September 2024 an der Technischen Universität Berlin stattfand, organisierte die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft ein Panel zur „Open-Access-Transformation in der Wirtschaftsforschung“. Die Diskussion wurde von Prof. Dr. Marianne Saam von der ZBW moderiert und brachte führende Expert:innen aus der Wirtschaftsforschung und dem Open-Access-Bereich zusammen.
Teilnehmende waren Prof. Dr. Klaus Schmidt (Ludwig-Maximilians-Universität München und Vorstandsmitglied des VfS), Prof. Dr. Hanna Hottenrott (ZEW Mannheim und Technische Universität München), Dr. Benedikt Schmal (Technische Universität Ilmenau) und Dr. Juliane Finger (ZBW). Gemeinsam erörterten sie die aktuellen Entwicklungen, Chancen und Herausforderungen der Open-Access-Bewegung in der Wirtschaftsforschung.
Im Zentrum des ZBW-Panels standen Fragen zum Wettbewerb auf dem Publikationsmarkt sowie zur Rolle wissenschaftsgeleiteter Open-Access-Zeitschriften in den Wirtschaftswissenschaften. Die Teilnehmenden des Panels problematisierten, dass der Einstieg neuer Fachzeitschriften in den Publikationsmarkt schwierig sei, da die Publikationsaktivitäten von Wirtschaftsforschenden stark durch die etablierte Reputation bestehender Zeitschriften geprägt sind. Zudem dominierten wenige große internationale Verlagskonzerne den Markt, was den Wettbewerb zusätzlich einschränke. In den Statements der Panelist:innen wurden insbesondere die Geschäftspraktiken dieser Verlage kritisch beleuchtet. Sie wiesen darauf hin, dass die unentgeltliche Inanspruchnahme wissenschaftlicher Arbeit im Peer-Review-Prozess zunehmend umstritten sei. Als Beispiel wurde die laufende Klage der US-amerikanischen Neurowissenschaftlerin Lucina Uddin gegen Elsevier und weitere große Verlage genannt, die diese problematischen Praktiken in den Fokus rückt.
Unter den Fehlanreizen des Publikationsmarktes wurde unter den Diskutant:innen insbesondere kritisch gesehen, dass Publikationsgebühren je Artikel das Wachstum sogenannter „Predatory Journals“ begünstige. Weiter würden Zeitschriften von geringer Qualität unterstützt, wenn Verlage Bibliotheken Verträge zum Bezug ganzer Zeitschriftenbündel anbieten und diese dort in größerer Zahl enthalten sind.
Die Diskussion drehte sich auch um die Frage, wie die Kontrolle über wissenschaftliche Publikationen wieder stärker in die Hände der Forschenden gelangen kann. Es wurde betont, dass nicht nur der Reputationsaufbau, sondern auch die nachhaltige Finanzierung eine entscheidende Rolle für wissenschaftsgeführte Publikationen spielt. Denn ohne ausreichende finanzielle Mittel drohen viele Open-Access-Zeitschriften eingestellt zu werden. Fachgesellschaften spielen bei der Sicherung einer nachhaltigen Finanzierung eine entscheidende Rolle.
Hintergrundinformationen – Open-Access-Transformazion und Geschäftsmodelle
Die Open-Access-Bewegung verändert die wissenschaftliche Publikationslandschaft, auch in der Wirtschaftsforschung. Zwei zentrale Einflussfaktoren prägen diesen Wandel: die Anreizsysteme in der Wissenschaft und der wachsende Einfluss großer Verlagskonzerne wie Elsevier, Springer Nature und Wiley.
Publikationen in angesehenen Fachzeitschriften sind für Forschende nach wie vor entscheidend, um ihre Karriere voranzutreiben. Reputation ist wichtiger Antreiber für Publikationsentscheidungen. Diese renommierten Zeitschriften, meist in Verlagskonzernen verankert, beeinflussen stark, wo und wie Forschung veröffentlicht wird. Förderinstitutionen fordern jedoch zunehmend, dass Forschungsergebnisse frei zugänglich gemacht werden.
Verlagskonzerne wie Elsevier und Springer sind nicht nur maßgebliche Akteure im Bereich wissenschaftlicher Zeitschriften und Datenbanken, sondern sie dominieren zunehmend den gesamten Forschungszyklus. Neben Fachzeitschriften bieten sie digitale Dienste wie Forschungsinformationssysteme an, mit denen Hochschulen ihre Forschung verwalten. So haben diese Verlagskonzerne ihren Einfluss auf die Wissenschaft weiter ausgedehnt.
Ein bedeutender Aspekt ist die zunehmende Abhängigkeit von diesen Anbietern. Hochschulen und Forschungseinrichtungen nutzen die umfassenden digitalen Services der Verlage, was zu starken Lock-in-Effekten führt. Diese Abhängigkeit wird durch die Daten verstärkt, die Verlage über die Nutzung ihrer Dienste sammeln. Verlage analysieren zunehmend die digitalen Spuren von Forschenden, um daraus neue Geschäftsfelder im Bereich der Datenanalyse zu entwickeln. Mit einem Marktanteil von über 50 Prozent kontrollieren sie einen Großteil des wissenschaftlichen Publikations- und Datenmarkts.
Die Open-Access-Transformation birgt Chancen, wie die Erhöhung der Sichtbarkeit von Forschungsergebnissen. Gleichzeitig wird die Abhängigkeit von Verlagskonzernen immer deutlicher. Die Wissenschaft muss Wege finden, um diese Abhängigkeit zu verringern und gleichzeitig die Offenheit von Forschung voranzutreiben.
*Der Text wurde verfasst am 22. Oktober 2024.