Förderung von Reproduzierbarkeit und Replikation in der Wirtschaftsforschung

ZBW-Symposium diskutiert Forschungstransparenz in den Wirtschaftswissenschaften

Forschungstransparenz ist ein zentrales Element wissenschaftlicher Integrität und essenziell, um Vertrauen in Forschungsergebnisse zu schaffen. Vertrauen in die Wissenschaft ist essenziell, damit wissenschaftliche Erkenntnisse in der Gesellschaft akzeptiert und als Grundlage für Entscheidungen herangezogen werden. Das Wissenschaftsbarometer 2023 von „Wissenschaft im Dialog“ zeigt jedoch, dass das Vertrauen in wissenschaftliche Institutionen zwar weiterhin mit 56 Prozent hoch ist, aber besorgniserregende Tendenzen sichtbar werden, bei denen einzelne gesellschaftliche Gruppen zunehmend skeptisch gegenüber Forschungsergebnissen und wissenschaftlichen Prozessen werden. Der Anteil der Befragten, die angeben, (eher) kein Vertrauen in Wissenschaft und Forschung zu haben, ist im Vergleich zum Vorjahr leicht gestiegen und liegt in der aktuellen Erhebung von 2023 bei 13 Prozent.

Forschungstransparenz bezieht sich auf die Offenlegung und Nachvollziehbarkeit der genutzten Methoden, Daten und Prozesse, die zu wissenschaftlichen Ergebnissen führen. Transparenz ist von besonderer Bedeutung, da sie die Reproduzierbarkeit und Überprüfbarkeit von Forschungsergebnissen ermöglicht. In Zeiten zunehmender Digitalisierung und Datenverfügbarkeit gewinnt die Forderung nach Offenheit und Transparenz in der Wissenschaft weiter an Dringlichkeit.

In der Wirtschaftsforschung spielt Forschungstransparenz eine besondere Rolle, da die Ergebnisse wirtschaftlicher Studien häufig weitreichende gesellschaftliche und politische Implikationen haben. Ob es sich um makroökonomische Prognosen, Studien zu Märkten oder wirtschaftspolitische Empfehlungen handelt – transparente Forschung ist entscheidend, um die Validität und Relevanz der Erkenntnisse zu bewerten. Dies gilt umso mehr, da viele wirtschaftswissenschaftliche Modelle auf komplexen Daten basieren, deren Replizierbarkeit nicht immer sichergestellt ist.

Symposium der ZBW: Förderung von Reproduzierbarkeit und Replikation in der Wirtschaftsforschung

Am 27. April 2023 organisierte die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft ein Symposium, das sich explizit mit den Themen Reproduzierbarkeit und Replikation in der Wirtschaftsforschung auseinandersetzte. Unter der Leitung von Prof. Dr. Marianne Saam, Professorin für digitale Wirtschaftswissenschaften an der ZBW, fand das erste Open-Science-Symposium der ZBW statt, das eine breite Diskussion über den Stellenwert von Offenheit in der Wirtschaftsforschung initiierte.

Die Reproduzierbarkeit wissenschaftlicher Studien – das heißt, dass andere Forschende auf Basis der originalen Daten und Methoden dieselben Ergebnisse erzielen können – ist eine der Grundvoraussetzungen für belastbare Forschung. In der Wirtschaftsforschung stellt dies eine besondere Herausforderung dar, da viele Analysen auf proprietären, oft schwer zugänglichen Daten basieren. Gleichzeitig wird die Forderung nach Replikation – also der unabhängigen Wiederholung von Studien – immer lauter, um mögliche Fehler zu erkennen und das Vertrauen in Forschungsergebnisse zu stärken.

Vier nationale und internationale Speaker teilten ihre Erfahrungen auf dem Gebiet der Forschungstransparenz:

Melanie Schienle, Professorin für Statistische Methoden und Ökonometrie am Karlsruhe Institute of Technology, zeigte in ihrem Vortrag, dass ein kollaborativer und kombinatorischer Ansatz für Kurzzeitvorhersagen in Echtzeit vielversprechend ist. An ihrem Institut wurde der Covid19-Nowcasthub entwickelt, eine Plattform, auf der aus mehreren Modellen ein Ensemble zur Hospitalisierungsinzidenz berechnet wird.

Dr. Lars Vilhuber, Data Editor der American Economic Association, stellte die seit 2019 geltende Policy der AEA für die Publikation in ihren Zeitschriften vor. Sie schreibt vor, dass Beiträge nur veröffentlicht werden, wenn die Analyse und der Zugang zu verwendeten Daten und Code klar dokumentiert und nicht ausschließlich den Autor:innen vorbehalten ist.

Joachim Gassen, Professor für Rechnungslegung und Wirtschaftsprüfung, kam in seinem Vortrag zu dem Schluss, dass Reproduzier‐ und Replizierbarkeit von Forschung zentrale Bestandteile des wissenschaftlichen Fortschritts sind, aber Open Science seinen wirklichen Impact dort entfaltet, wo andere auf den Ergebnissen und Methoden bisheriger Forschung aufbauen können.

Professor Jörg Ankel-Peters vom RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung und Gründungsmitglied des Institute for Replication fragte in seinem Vortrag, ob Transparenzstandards genug sind. Er bemängelt die fehlende Replikationskultur und dass nur 1 bis 3 Prozent publizierten Aufsätze Policing Replications seien, das heißt, dass sie ein vorher publiziertes Paper direkt adressieren und herausfordern. Denn nur durch eine solche direkte Ansprache könne eine Replikation ihre regulierende Wirkung entfalten.

Die Bedeutung von Open Science für die Wirtschaftsforschung

Auf dem Symposium wurde intensiv darüber diskutiert, wie Open-Science-Praktiken zur Förderung der Forschungstransparenz beitragen können. Die Teilnehmer:innen des Symposiums erörterten, dass die Veröffentlichung von Datensätzen, Code und detaillierten Methoden nicht nur die Nachvollziehbarkeit von Ergebnissen verbessert, sondern auch die Zusammenarbeit und den Austausch zwischen Forschenden erleichtert. Allerdings stellten die Forschenden auch Herausforderungen fest. Viele Wirtschaftsforschende stehen vor strukturellen und institutionellen Barrieren, wenn es um die Offenlegung ihrer Daten geht. Dazu gehören urheberrechtliche und datenschutzrechtliche Einschränkungen, aber auch der Wettbewerbsdruck innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft. Dennoch betonten die Teilnehmenden die Bedeutung eines kulturellen Wandels hin zu mehr Transparenz, insbesondere durch die stärkere Verankerung von Open-Science-Praktiken in der akademischen Ausbildung und durch institutionelle Anreize.

*Der Text wurde verfasst am 22. Oktober 2024.



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